Bedeutung von Yoga
Bedeutung und Hintergrund
Der Begriff Yoga leitet sich von der Sanskritwurzel „yuj“ ab, was anjochen und verbinden bedeutet. „Yuj“ wiederum findet sich im deutschen Wort „Joch“. Das Joch ist ein Zuggeschirr, mit welchem zwei Ochsen vor eine Karre gespannt werden. Mit vereinten Kräften ziehen sie in eine Richtung. Das Joch bündelt nun alle diese Kräfte. Auf den Yoga übertragen bedeutet dies, dass unsere Sinne, die nach aussen gerichtet sind, zentriert werden, damit der Geist sich nicht mehr in alle Richtungen zerstreuen kann.
Er erhält dadurch eine klare Ausrichtung. Yoga bedeutet darum auch Vereinigung. Auf den Menschen wird diese Anjochung in der Katha-Upaniṣad, durch eine Unterweisung Naciketas durch den Todesgott Yama, mit dem Wagengleichnis gelehrt:
„Den Wesenskern musst du als Fahrgast kennen,
den Körper als seinen Wagen,
und dessen Lenker als Verstand (buddhi).
Das Denken (manas), wisse, sind die Zügel.
Die Sinneskräfte (indriya) nennt man Pferde,
Objekte das, wohin sie laufen.“
Slaje Walter: Upanishaden. 2009.
Wenn die Zugtiere nicht in ein Joch gespannt wären, würden sie nach den verschiedensten Weideplätzen Ausschau halten. Die Zügel wären nutzlos und der Wagenlenker hätte keinerlei Macht, die Tiere zu führen. Auch hat er keine Ahnung, wer sein Fahrgast ist. Genauso verhält es sich mit den meisten Menschen der heutigen Zeit. Der Yoga soll uns nun aber helfen, unseren Fahrgast wieder zu erkennen und uns mit ihm, unserem eigenen Wesenskern, wieder zu vereinen. Da wir uns aber komplett nach aussen orientieren, müssen als erstes unsere Sinne mit Hilfe von Yoga gebündelt werden. Dadurch erhält unser Verstand, der unseren Körper lenkt, eine klare Ausrichtung:
„Sobald die fünf Erkenntnisse der Sinne
zusammenruhen mit dem Denken
und der Verstand sich nicht mehr regt,
nennt man dies den höchsten Zustand.
Die feste Bändigung der Sinneskräfte
nennt man die ‚Konzentration’.
Dann ist man nicht mehr abgelenkt.enkt.
Entstehen und Vergehen ist bekanntlich Konzentration.“
Slaje Walter: Upanishaden. 2009.
Bedeutung von Yoga für die Menschen von heute
Ursprünglich war die Bedeutung von Yoga rein spiritueller Natur mit dem Ziel, durch Meditation Erleuchtung zu erlangen. Mit dem Haṭha Yoga entstand ein körperbezogener Yoga, um den Körper auf die richtige Sitzhaltung für die Meditation vorzubereiten. Diese körperlichen Übungen hatten eine meist positive Auswirkung auf das gesamte Wohlbefinden des Menschen, weshalb sie schliesslich ein Teil des Yoga wurden.
Viele Menschen hier im Westen suchen im Yoga entweder körperliche Bewegung oder Entspannung. Dass der spirituelle Hintergrund vom Yoga getrennt wurde, hat sicher zum einen mit dem Einfluss von Gymnastik-Schulen in früheren Zeiten zu tun. Weitere Gründe sind aber auch unsere zunehmende Oberflächlichkeit und unsere ständige Suche nach neuen und verschiedenen Freizeitbeschäftigungen. Wir sind ständig auf Achse und wollen vor allem eines: Ablenkung ohne Tiefgang. Äusserlichkeiten sind wichtiger geworden als unser Wesenskern. Wir wollen einen schönen Körper, jugendliches Aussehen bis ins hohe Alter und suchen das Glück und die Erfüllung ausserhalb von uns, statt in uns selber.
Man hat sich von sich selbst entfernt
und Yoga bringt einen zurück zu sich selbst.
Das ist alles.
Desikachar, T.K.V.
Unsere Sinne verzetteln sich in alle Richtungen und zerstreuen dadurch unseren Geist. Das Hier- und Dortsein unserer Sinne macht uns unruhig. Äusserlich ist dies nicht unbedingt sichtbar, es macht sich aber durch einen unruhigen Schlaf, schnelles Sprechen, Rastlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten etc. bemerkbar. Wir leben sozusagen in ständiger Unruhe. Mit Hilfe von Yoga können wir nun aber versuchen, unsere Sinne von aussen nach innen zu lenken und unserem Geist damit eine klare Ausrichtung
zu geben. Dieser Weg führt in die Stille und zu unserem Wesenskern.
Yoga ist für mich ein Prozess der Bewusstwerdung und ein Prozess, der den Menschen wandelt. Durch diesen Prozess können wir vom Groben zum Feinen, vom Äusseren zum Inneren vordringen. Er ist eine Methode der persönlichen Transformation und ermöglicht eine faszinierende Forschungsreise in die eigene Innenwelt. Für mich heisst Yoga auch ausatmen, loslassen, sterben und wieder einatmen, sich inspirieren lassen und Einswerden mit dem Wesenskern, dem Göttlichen, mithin zu neuem Leben zu erwachen. Die Suche nach dieser Innenwelt, meinem göttlichen Wesenskern, könnte ich nicht treffender beschreiben als mit der folgenden Geschichte:
Der Moschushirsch
Vor langer Zeit nahm ein Moschushirsch einen Duft in der Luft wahr, dieser war so himmlisch, dass er beschloss, sich auf die Suche nach dessen Quelle zu machen. Er durchwanderte Wälder, Berge, Täler, Wüsten und Küsten, ohne jedoch den Duft, das Ziel seiner Wanderung zu finden. Es war zwar immer ein Hauch dieses wunderbaren Duftes dabei, doch seiner Quelle begegnete er nicht.
Schliesslich, am Ende seines Lebens, sank er erschöpft in sich zusammen. Dabei durchstach er mit den eigenen Hörnern seinen Bauch. Da strömte dieser exquisite Duft aus ihm heraus und er verstand, dass die Quelle dessen, wonach er während seines ganzen Lebens gesucht hat, sein eigenes Wesen war.
Quelle: Geschichte aus Indien